Suffizienz und Regionalität

Schütt

Stefan Schütt leitet seit 2013 den kaufmännischen Bereich im Christian Jensen Kolleg. Eine Ausbildung zum Koch und Hotelkaufmann mit einer jahrelangen Erfahrung aus dem Hotelmanagement sowie die Leitung der Niederlassung Husum der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein von 2006 – 2013 führten ihn vor 8 Jahren nach Breklum.

Neulich in Husum: Ich wollte nur ein Gewürz kaufen. Doch selbst das Fachgeschäft konnte mir nicht helfen. Der freundliche Verkäufer empfahl mir: „Das sollten Sie dann im Internet bestellen.“ Dabei wollte ich doch genau das gerne vermeiden.

Der Internethandel boomt nicht nur in Krisenzeiten. Dank digitaler Technik kann von fast überall auf den Welthandel zugegriffen werden, ohne Bedenken an die logistischen Konsequenzen besonders durch die Massen an Rücklieferungen. Auch die Produktionsbedingungen der bestellten Waren mit oder ohne Menschenrechtsverletzung ist meistens nicht nachvollziehbar. Erschwerend kommt noch hinzu, dass wir nicht wissen, wo das Unternehmen sitzt, das wir beauftragen und somit weiß niemand, wohin unser Geld nach der Bezahlung fließt.

Wir leben nicht nachhaltig, wenn wir die Ressourcen von zwei Erden pro Jahr verbrauchen und doch eigentlich eine enkeltaugliche Welt für Alle möchten.

Dabei kommen unsere regionalen Anbieter leider häufig zu kurz, weil sie nicht genügend Präsenz im Onlinehandel zeigen, im preislichen Wettbewerb nicht mithalten können oder nicht ausreichend Lagerkapazitäten haben, ohne dass wir die Qualitätskriterien der Produkte verglichen haben. In unserem Bestreben zu einer nachhaltigeren Lebensweise benötigen wir mehr Aufklärung über unser Verbraucherverhalten und seine Auswirkungen. Denn wir leben nicht nachhaltig, wenn wir die Ressourcen von zwei Erden pro Jahr verbrauchen und eigentlich eine enkeltaugliche Welt für Alle möchten. Es braucht ein tieferes Verständnis in der Gesellschaft für ein alternatives Handeln zu einem nachhaltigeren Leben, dabei spielen persönliche Gefühle, Bedürfnisse und Empathie für einen selbst beim Hinterfragen und Hineinsehen eine große Rolle.

In einer Gemeinwohlbilanz haben wir uns im Christian Jensen Kolleg vor vielen Jahren mit den Fragen der Beschaffung auseinandergesetzt. Dabei können Unternehmen, Institutionen und Verwaltungen das Prinzip vom ethischen Wirtschaften auf einer Skala von 1 – 1000 durch externe Auditoren in ihrem Betrieb bewerten lassen, um einen sozialen und ökologischen Mehrwert für die Gesellschaft darzustellen statt ständigem Umsatzwachstum und einer Gewinnmaximierung hinterherzurennen.

Natürlich ersetzt dies nicht unsere Handelsbilanz, die wir am Jahresende als gemeinnützige Gesellschaft erstellen müssen. Vielmehr geht es in der Gemeinwohlökonomie um Menschenwürde, globale Fairness, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung als Maßstab. All diese Kriterien sollten wir in unserem Handeln transparent für einen lebenswerten Planeten darstellen. Wir sollten uns diese Fragen in unserem täglichen Handeln beim Einkauf stellen und dafür auch bewertet werden, vielleicht sogar durch steuerliche Begünstigungen oder Belastungen animiert oder besser gezwungen werden?

Warum produzieren wir in Massentierhaltung Schweine für den Export nach China ohne an das Tierwohl, die Belastung der Umwelt und an unsere Gesundheit zu denken?

Beim Einkauf der Milchpackung im Lebensmittelmarkt wird das Problem der Transparenz deutlich und die Verunsicherung bei mir ganz groß. Es gibt viele Frischmilchprodukte, teilweise aus einer Meierei in drei verschiedenen Verpackungen im Angebot. Am Beispiel der Agrarpolitik erleben wir ein Aufbegehren der Akteure in der Landwirtschaft, weil diesen Produzenten nicht nur die Milchpreise im Discounter missfallen. Warum verkaufen sich die Landwirte durch ihre eigene Meiereigenossenschaft überhaupt zu „billigen“ Preisen an den Lebensmittelhandel und gleichzeitig kassieren sie auch Subventionen, die für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sind. Denn sind diese finanziellen Förderungen nun zum Tierwohl, zur schonenden Herstellung der Milchprodukte, zur Vermeidung von Genmanipulation oder an strengere Umwelt- und Naturschutzkriterien gebunden? Hier müsste mehr Transparenz und Aufklärungsarbeit beim Konsumenten erfolgen, damit beim Einkauf anders gehandelt wird und auch die Bereitschaft zu höheren Einkaufspreisen gegeben ist. Ähnliches kommt für die Schlachtindustrie zum Tragen. Warum müssen wir in einer Massentierhaltung die Schweine für den Export nach China produzieren ohne an das Tierwohl, die Belastung der Umwelt und an unsere Gesundheit zu denken? Als Argument wird uns glaubhaft gemacht, weil es sonst andere Industrienationen machen oder weil es Arbeitsplätze sichert. Dazu fallen uns dann die Arbeits- und Lebensbedingungen von Leiharbeitern in den Schlachthöfen ein, mit denen sicherlich niemand tauschen möchte. Wir sollten alle, ohne dass Entzugserscheinungen auftreten, auf einige Fleischportionen in der Woche verzichten und diese Industrie zum Umdenken zwingen.

Wir sollten über die ökologische und ökonomische Zukunft unserer Region entscheiden.

Regionale Produkte liegen in der Gunst der Verbraucher hoch im Kurs und bilden eine hohe Wertschätzung für die Arbeit der Landwirte und somit für die Gesellschaft. Aber viele Angebote sind nur individuell auf den Höfen oder in kleinen Produktionsbetrieben in Randgebieten erhältlich. Die Struktur der Beschicker der hiesigen Wochenmärkte hat sich deutlich verändert. Hier müsste ein Umdenken auf beiden Seiten erfolgen, wie es in anderen Teilen Deutschlands mit dem Konzept Marktschwärmer, der Solidarischen Landwirtschaft und der Regionalwert AG schon praktiziert wird. Bei den „Marktschwärmern“ bieten verschiedene regionale Produzenten ihre Produkte auf einer Internetplattform zum Kauf an, die dann wöchentlich an einem zentralen Ort zur Abholung als „Gemischtwarenladen“ für den Besteller bereitstehen. Bei einer entsprechenden Nachfrage kann hier sogar eine Belieferung gegen Gebühr erfolgen. In einem ähnlichen Konzept könnten die Einwohner von Nordfriesland ihre Versorgung selber in die Hand nehmen und als Gemeinschaft auftreten. Diesem Beispiel ist der Gärtnerhof in Wanderup bereits gefolgt und auch in Klixbüll entwickelt sich ein ähnliches Konzept. Damit sichern die Kunden die Existenz kleiner Betriebe, werden belohnt für ihr höheres Qualitätsbewusstsein und erhalten eine sozial ökologische Rendite für ihr Einkaufsverhalten sowie halten der Globalisierung in der Landwirtschaft etwas entgegen. Für den Erzeuger sind die benötigten Produktionsmengen vorher besser kalkulierbar, die Qualität der Produkte wird deutlich hochwertiger ausfallen und ohne den Zwischenhandel sind die Waren nicht von Klassifizierungen betroffen. Es darf also doch mal eine krumme Gurke verkauft werden, auch wenn der Preis etwas höher ausfällt. Die Gurke muss nicht entsorgt werden, weil angeblich der Handel nur die Handelsklasse I in Form einer kerzengeraden Gurke verkaufen kann.

Auch sonst möchte ich eine mögliche Verschwendung vermeiden, qualitativ hochwertige Produkte mit einer langen Lebensdauer und nur mit wiederverwertbaren Abfällen die Umwelt belasten. Wir sollten über die ökologische und ökonomische Zukunft unserer Region entscheiden. Dazu dürften Veränderungen in den Arbeits-, Wohn-, Energie- und Mobilitätskonzepten durch neue intelligente Technologien und eine entsprechende Aufklärung beim Konsumenten zur Zielerreichung in der Ressourcenschonung helfen – weniger Autos dafür mehr Fahrbeteiligungen, weniger Wohnraum am Beispiel von Tiny-Living oder Mehrgenerationsmodelle sowie ein autarke und alternative Energieversorgung. Das Zauberwort heißt Suffizienz. Wer suffizient lebt, fragt nicht, was möglich ist, sondern was nötig ist und kann dabei glücklich sein. Mit mehr Achtsamkeit auf die wesentlichen Dinge reduziert und für die Region bereichernd wirken, das ist das Ziel des Christian Jensen Kollegs und seinen Mitarbeitenden.